2014-05-14

Ist die EU an allem schuld? Ist die EU der Sündenbock für nationale Politik?




Ich denke, um diese Frage zu beantworten, muss man sich vorher mit wichtigen Begriffen befassen. 

Was ist ein Staat? Was ist Demokratie? Der grundsätzliche Begriff:  Volk, Gebiet, Grenze genügt nicht. Zum Zusammenleben von Menschen braucht es Gesetze. Wenn ein Staat ein demokratischer Staat sein will, müssen diese Gesetze Rechtsgesetze sein. Gesetze, die sich das Staatsvolk selbst gibt. Oder zumindest mit denen jeder leben kann. Jeder der unter seinen eigenen Gesetzen lebt ist frei (Rousseau). Der Wille des Volkes ist Gesetz.

Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

 Freiheit ist ohne Demokratie nicht möglich. Demokratie heißt unscharf ausgedrückt "Das Volk herrscht", besser ist: "Das Volk hat die Macht" oder "das Volk zieht den Karren". Kein Mensch kann doch rechtens nicht über andere Menschen herrschen. Deswegen ist dieser von Kant formulierte Satz: "Ein Staat ist eine Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen", einzig richtig. Niemand darf sich über den anderen Menschen stellen oder gar andere Menschen beherrschen.

Der Staat besteht aus Menschen, die eine Organisation brauchen, welche die Gesetze formuliert, die Gesetze überwacht und über Gesetzesbrüche richtet. Diese Organisation muss Gewalt über das Staatsvolk ausüben, um die Freiheit jedes Einzelnen nach außen zu sichern. Der Staat ist also keine eigene, abgehobene Einrichtung, sondern die Organisation von Menschen. Um diese Organisation nicht zu mächtig werden zu lassen, wurde sie geteilt. Das wird Gewaltenteilung genannt (Legislative, Exekutive, Judikative). Also Richter, Parlament, Regierung, Polizei sind die Organisation der Menschen, die sich zu einem Staat verfasst haben. Denn Gewalt ausüben, um die Ordnung des Staates aufrecht zu erhalten darf man  nicht verwechseln mit herrschen, so wie im Gegensatz zu Kant und Rousseau Georg Jelinek lehrt:

„Nach der Drei-Elemente-Lehre (auch: Drei-Elementen-Lehre) von Georg Jellinek ist der Staat ein soziales Gebilde, dessen konstituierenden Merkmale ein von Grenzen umgebenes Territorium (Staatsgebiet), eine darauf als Kernbevölkerung ansässige Gruppe von Menschen (Staatsvolk) sowie eine auf diesem Gebiet herrschende Staatsgewalt kennzeichnet“(Wikipedia).  Jelinek lehrt, dass der Staat herrscht. Das ist  ein Grunddenkfehler, der aber gerne übernommen wurde. Diese Formulierung des Staates kommt denjenigen Menschen gerade recht, die ihre eigenen Interessen vor dem allgemeinen Wohl und der politischen Mitsprache aller Bürger im Auge haben.

"Die Demokratie ist notwendig und unvermeidlich ein Parteienstaat“ (Kelsen 1929). Die Bundesverfassung Österreich wurde nach diesem Ideal des Hans Kelsen formuliert. Die Macht der Parteien führt aber von der Demokratie weg.

 Um die Freiheit, die sehr gut in den Grundsätzen der Menschenrechtserklärung niedergeschrieben wurde zu genügen, müssen sich die jeweiligen Bürger eines Staates und deren Vertreter im Parlament und Regierung ständig bemühen, den Willen aller Menschen im Lande zu erkennen, ihre Gesetze so auszurichten, so dass jeder damit leben kann. Das wäre das Ideal. Jeder lebt unter seinen eigenen Gesetzen.

In Österreich ist man von diesem Ideal leider sehr weit entfernt. Die Wahlberechtigten dürfen alle paar Jahre ihre Stimme einer Partei geben, die in etwa den jeweiligen Vorstellungen des Wählers vorgibt umzusetzen. In den Parteien folgt man der Führung, die ihrerseits leichter korumpiert oder sonst wie beeinflusst werden kann. Sonst macht man keine Karriere oder wird ausgeschlossen. Der Parteienstaat ist der Sargnagel der Freiheit und Demokratie.Sogar die Richter des Verfassungsgerichtshofs werden von den großen Parteien gestellt und scheinen nicht unabhängig zu sein. Ich verweise z.B. auf die Endscheidung über die Verfassungsklage Österreich gegen den EU-Beitritt und den Folgeverträgen.

Wie weit die Bürger von Demokratie entfernt sind, zeigen die wichtigen Entscheidungen der Regierungen der letzten Jahre, ohne Zustimmung des Volkes. Etwa die Rettung von Banken, Garantien für Bankenspekulationen, für die jetzt die Steurzahler aufkommen müssen, oder die Aufweichung der immerwährenden Neutralität in vielen Fällen, wo österreichische Soldaten im Verbund mit den Nato im Ausland eingesetzt sind. Und natürlich auch die Zustimmung und Genehmigung der EU-Verträge, ohne Volksabstimmung. Die Parteien haben das Sagen und nicht die Bürger. Das ist der falsche Weg. Den Parteien gehört die Macht genommen und den Bürgern mehr politische Mitsprache eingeräumt. Diese Zuschauerdemokratie, die Parteienherrschaft ist in Österreich schlimm genug. Aber immerhin bleibt in Österreich das Recht zur Wahl. Ein schwaches Recht, weil mit Milliardenaufwand ständig die Bürger via Medien manipuliert werden und im Grunde genommen, immer die großen Parteien wählen. Aber noch immer können die Wähler eine andere Bestzung des Parlaments wählen, welche dann den Austritt aus der EU für die Bürger in die Wege leiten könnten.

Aber auf europäischer Ebene ist dieses Recht noch viel dünner. Durch diese Entwicklung der EU zum zentralistischen Großstaat wird die Demokratie noch weiter ausgehöhlt. Die Europäische Union hat sich mit den Verträgen von Amsterdam, Nizza und Lissabon weitgehend zu unserem Gesetzgeber entwickelt und ist eigentlich schon ein Bundesstaat, wenn auch (noch) nicht legal.  Die Österreicher können 18 Abgeordnete des Europäischen Parlaments wählen. Das EU-"Parlament" ist derzeit kein echtes Parlament, es soll aber künftig das Östereichische Parlament ersetzen. Dieses EP wird, mit welcher Zusammensetzung auch immer, nie wirklich die Grundfehler der EU reformieren können. Weil es gar nicht zuständig ist. Über die wirklich wichtigen Politiken, wie die Grundzüge der Wirtschaft (neoliberale Ausrichtung, Binnenmarkt oder Grundfreiheiten der EU), Militär, Währung, Rettungsschirme und jetzt der USA/EU "Freihandelsvertrag" (TTIP) wird das EP nicht befragt, bestenfalls informiert. Die österreichischen Wähler können auf europäischer Ebene noch schwerer  ihren Willen gegen derzeit 27 andere Mitgliedsländer der EU durchsetzen. Schon gar nicht, weil auch im EP die großen Fraktionen bestimmen. Die Kommission, welche das Vorschlagsrecht für EU-Gesetze hat, wird von den Regierungen eingesetzt. Das EP ist kein echtes Parlament, es vertritt auch (noch) kein Volk. Dazu müssten die Nationalstaaten ihre Verfassungen öffnen und einem Staat EU in Volksabstimmungen erst zustimmen. Das EP ist eine Versammlung von Politikern der Mitgliedsstaaten.

 EU-Recht geht vor nationalem Recht und die EU-Grundrechtscharta ersetzt weitgehend die österreichische Bundesverfassung.

Die Europäische Union ist also schon allein ein riesiges Hindernis auf dem Wege zur Freiheit der Bürger und verschlimmert die heimische undemokratische politische Situation erheblich. Deswegen ist zwar die EU nicht an allen politschen Übeln der österreichischen Politik, oder der österreichschen Auffassung von Demokratie schuld, aber höhlt diese "Scheindemokratie" Österreichs noch mehr aus. Die EU wird aus Politikern aller Mitgliedstaaten und einem Heer von Bürokraten zusammengesetzt. Auch Österreich stellt EP-Abgeordnete, Minister im Rat, Bundeskanzler im Europäischen Rat, einen Richter im Europäischen Gerichtshof, einen Vertreter in der EZB und einen Kommissar. Wer also national eine Partei wählt, der wählt automatisch auch die Vertreter dieser Partei für die Europäische Union. Aber die Demokratie, die Macht des Volkes, ist durch die EU so gut wie abgeschafft. Demokratie ist nur in kleinen Einheiten möglich. Den Willen von 500 Millionen "EU-Bürgern", zu erkennen und in Gesetze zu formen und ins Recht zu setzen, ist unmöglich. Das ist schon in Österreich nicht leicht. Dazu würde das Schweizer Modell der Demokratie dienen. In der Schweiz haben die Parteien wenig Macht. Die Bürger geben sich durch die direkte Demokratie die Gesetze und können Entscheidungen der Politik rückholen. Dadurch trachten die Politiker schon bevor die Gesetze verfasst werden, dass diese im Einklang mit dem Willen des Volkes stehen.Sonst werden diese von den Eidgenossen zurückgewiesen.











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