2015-01-17

Währungsunion



 von Professor Karl Albrecht Schachtschneider
Mit dem Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992, der wegen der ebenfalls von mir vertretenen Verfassungsbeschwerde gegen das deutsche Zustim­mungsgesetz erst am 1. November 1993 in Kraft getreten ist, wurde die Währungshoheit der Mitglied­staaten auf die Europäische Union übertragen, näher­hin durch Art. 105 ff. EGV27. In Deutschland wurde für die weitreichenden Übertragungen von nationalen Hoheitsrechten auf die Union ein neuer Europaarti­kel geschaffen, nämlich Art. 23 des Grundgesetzes. Die Ermächtigung, die Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank zu übertragen, „die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet“ ist, ist eigens in Art. 88 S. 2 GG hinzugefügt worden. Das Maastricht-Urteil vom 12. Oktober 1993 hat die Befugnisse der Europäischen Union erheblich einge­schränkt und Prinzipien unterworfen, welche wegen der nationalen Souveränität in nationaler Verantwor­tung bleiben müssen. Dennoch ist die Währungs­union eine schwere Verletzung der Souveränität, weil die Währungshoheit, die von der Wirtschafts- und Sozialhoheit nicht getrennt werden kann, seit eh und je zum zentralen Bestand der Souveränität gehört.

25 Dazu K. A. Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 111 ff., 624 ff. (Kritik der Globalisierung).
26 Dazu K. A. Schachtschneider, Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: ders. (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 253 ff.
27 Dazu K. A. Schachtschneider, Wirtschaftsverfassung mit Welthandelsordnung, S. 157 ff.


Seit der Einführung der einheitlichen Währung, dem Euro, am 1. Januar 1999 ist die Währungspolitik mittels Art. 105 ff. EGV, jetzt Art. 127 ff. AEUV dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) überantwortet. Dieses, zumal dessen Leitungsor­gan, die Europäische Zentralbank (EZB), ist von allen anderen Organen der Mitgliedstaaten und der Union unabhängig (Art. 130 AEUV). Die nationalen Zentralbanken sind durch die Aus­wahl der Leitungsgremien noch schwach von ihren Völkern legitimiert, die Europäische Zentralbank, welche die Geldpolitik verbindlich steuert, hat kei­nerlei demokratische Legitimation, hat aber mittels der Staatsfinanzierung die wesentliche Regierungs­funktion im Euro-Gebiet an sich gezogen. Das Bun­desverfassungsgericht meinte im Maastricht-Urteil 1993, das demokratische Defizit der EZB mit der notwendigen Sachlichkeit der Geldpolitik, die sich von politischen Einflüssen frei machen müsse, recht­fertigen zu können (BVerfGE 89, 155 (199, 207 ff.)). Das Gericht hat das Prinzip der Demokratie damit im Wesen verkannt und ist auch durch die Politik der EZB, die nicht mehr als Geldpolitik ausgegeben werden kann, empirisch widerlegt worden.

Der Deutsche Bundestag hat heilige Schwüre auf die Stabilitätsverpflichtung der Währungsunion gelei­stet, aber bereitwillig den Vertragsbrüchen durch die Euro-Rettungspolitik zugestimmt28. Die Gefahren der Währungsunion für die wirtschaftliche Stabilität, die ihnen sachkundig dargelegt worden waren, haben die Parlamentarier nie wirklich zur Kenntnis genommen, weil das ihrer Vision von einem großen, mächtigen Europa widersprach, die sie jedenfalls in Deutschland zu ihrer Moral zu machen hatten. Schon dadurch haben sie die Souveränität der Bürger verraten.
Die Verfassungsbeschwerde, die ich mit drei Kolle­gen der Volkswirtschaftslehre (Wilhelm Hankel, Wil­helm Nölling, Joachim Starbatty) gegen den Schritt zur dritten Stufe der Währungsunion, die Einführung der einheitlichen Währung, den Euro, am 12. Januar 1998 erhoben habe, hat das Bundesverfassungsge­richt am 31. März 1998 in großer Eile durch Beschluß als „offensichtlich unbegründet“ verworfen und dieses
offensichtlich fragwürdige Erkenntnis auf 39 Seiten begründet (BVerfGE 97, 350 ff.). Die Euro-Klage haben wir 1998 bei rororo veröffentlicht, den Verwer­fungsbeschluß habe ich in der Schrift W. Hankel u.a., die Euro-Illusion, 2001, S. 274 ff. erörtert.
Österreich und Deutschland haben nicht nur ihre durch das Sozialprinzip geprägte Wirtschaftsverfas­sung eingebüßt und die Fähigkeit verloren, sachge­recht auf die Wirtschaftslagen zu reagieren, etwa durch eine antizyklische Konjunkturpolitik, sondern darüber hinaus wird die Union befugt, verbindlich die Grund­züge der Wirtschaftspolitik für die Union und vor allem für die Mitgliedstaaten zu definieren (Art. 121 Abs. 2 ff. AEUV)29. Die Grundzüge können makro- oder mikropolitische Vorgaben machen. Sie sind der Wirt­schaftsverfassung der Union verpflichtet und stehen darum dem Sozialprinzip des Grundgesetzes, insbe­sondere dessen beschäftigungspolitischer Zielsetzung, entgegen. Hinzu kommt die außenwirtschaftliche Ent­machtung der Mitgliedstaaten, weil die Handelspolitik (Art. 206 f. AEUV) der ausschließlichen Zuständigkeit der Union überantwortet ist und bleiben wird (Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV)30. Eine beschäftigungswirksame Beihilfepolitik ist den Mitgliedstaaten grundsätzlich untersagt (Art. 107 AEUV). Als Standortpolitik bleibt nur die sogenannte Lohnflexibilisierung, also die Absenkung der Löhne, oder eben wegen der eindi­mensionalen Globalisierung die von dem grenzüber­schreitenden Wettbewerb erzwungene Arbeitslosig­keit, weil die sozialen Standards, die Österreich und Deutschland lange Zeit erfüllt hatten und zu erfüllen verpflichtet waren und sind, nicht globalisiert sind, vor allem nicht die menschenrechtlichen Standards, deren Verwirklichung das Sozialprinzip gebietet.

Keine Kommentare: