2015-06-16

„Die Schweiz ist unser Vorbild“


Die Briten können spätestens 2017 über den EU-Austritt abstimmen. Bei uns haben die Bürger Ende Juni Gelegenheit zum EU-Protest.
Daheim ist Inge Rauscher in den vergangenen Wochen nicht viel gewesen. Sie tourt durchs Land, um Werbung für das EU-Austritts-Volksbegehren zu machen. Bei den Info-Ständen trifft sie auf Befürworter und Gegner. „Manche umarmen uns und freuen sich, dass es uns gibt, andere sind nicht so begeistert“, erzählt die Mit-Initiatorin des EU-Austritts-Volksbegehrens.

Vom 24. Juni bis zum 1. Juli kann das Begehren in den Gemeinde- und Bezirksämtern unterzeichnet werden. 100.000 Unterschriften sind notwendig, dann muss es im Parlament behandelt werden. Doch Inge Rauscher glaubt an mehr Unterstützung für ein „freies und neutrales Österreich. Je mehr Unterschriften, desto mehr Druck wird entstehen, und zwar auf alle Parteien.“

Umfragen zeigen, dass rund ein Fünftel bis ein Viertel der Menschen in unserem Land einen EU-Austritt voll und ganz befürworten. Auf dieses Potenzial hoffen die Betreiber des überparteilichen Volksbegehrens. Neben Inge Rauscher sind das etwa der Ressourcenökonom Heinrich Wohlmeyer, der Neffe des legendären ÖVP-Kanzlers Julius Raab, oder der Tierschützer Franz-Joseph Plank.

„Wir wollen wieder etwas zu reden haben im eigenen Land. Wir wollen wieder Demokratie“, sagt Inge Rauscher. „Die EU ist ja keine Demokratie. Trotzdem werden 80 Prozent aller Gesetze in Brüssel beschlossen.“ Gemacht von nicht gewählten Funktionären und Beamten. Und die großen Entscheidungen würden bei den EU-Gipfeln hinter verschlossenen Türen fallen. „Das ist zunehmend eine Geheimdiplomatie, keine Demokratie.“

Das große Vorbild der Austritts-Befürworter ist die Schweiz. Inge Rauscher: „Der Schweiz ist vorhergesagt worden, sie werde untergehen, wenn sie nicht der EU beitritt. Das Gegenteil ist der Fall. Sie ist heute das wettbewerbsfähigste Land der Welt und Exportweltmeister.“ Ein EU-Beitritt hat dort nur noch wenige Befürworter. Nicht einmal ein Fünftel der Schweizer ist dafür. Fast die Hälfte glaubt, dass die EU sowohl politisch als auch wirtschaftlich zum Scheitern verurteilt ist.

Tatsächlich ist die Schweiz eine Insel der Seligen inmitten von Euro-Land. Im Vorjahr kürten die Experten des Weltwirtschaftsforums die Schweiz zum wettbewerbsfähigsten Land der Welt. Die Eidgenossen haben den Spitzenplatz zum sechsten Mal in Folge. Unser Land ist hingegen vom 16. auf den 21. Platz abgerutscht.

Die Eidgenossen führen auch deutlich mehr Waren aus, als sie einführen. Im Vorjahr hat die Schweiz einen Rekord-Überschuss in ihrer Handelsbilanz erwirtschaftet. Rund 25 Milliarden Euro flossen in die Alpenrepublik. Mit der Euro-Einführung im Jahr 2002 ist der Schweizer Handels-Überschuss sprunghaft gestiegen.

Unsere Außenhandelsbilanz hingegen ist seit Jahren negativ. Wir importieren mehr, als wir exportieren. Im Vorjahr verzeichneten wir ein Minus von 1,8 Milliarden Euro.

Die Kaufkraft der Schweizer ist traditionell hoch. In den Krisenjahren 2008 bis 2012 stieg sie jedoch laut einer Studie noch einmal um 45 Prozent. Bei uns waren es hingegen magere zwei Prozent.

Und auch die Arbeitslosenzahlen der Schweiz lassen Neid aufkommen. 136.000 Menschen werden in dem Acht-Millionen-Einwohner-Land als arbeitslos geführt. Hierzulande sind 396.000 Menschen arbeitslos oder in Schulung.

„Die Schweiz ist bei der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), unser Land könnte ihr auch wieder beitreten und die Handelsbeziehungen über die EFTA regeln und durch Verträge mit anderen Staaten“, ist Inge Rauscher überzeugt. „Wir hätten den großen Vorteil, dass unsere produzierende Wirtschaft wieder ganz andere Chancen hätte. Und wir hätten wieder eine eigene Währung.“

Doch selbst politisch ist die Schweiz ein Modell für die Austritts-Befürworter. „Wenn wir wieder ein freies, selbstständiges und für uns selbst verantwortliches Land sind, dann hätten wir die Möglichkeit, Volksabstimmungen durchzuführen.“

Die Handelsverträge mit den USA und Kanada (TTIP, CETA und TISA) wären ebenfalls kein Thema mehr. „Der ungebremste Welthandel begünstigt vor allem jene, die Mensch und Natur am ,effizientesten‘ ausbeuten“, warnt der Ressourcenökonom Heinrich Wohlmeyer. „Es kommt dadurch zum Wettbewerb nach unten.“ Das seit dem Jahr 1994 geltende NAFTA-Freihandelsabkommen zwischen Kanada, den USA und Mexiko sei eine Mahnung. „Den zwanzigjährigen Weg kennzeichnen Kleinbauernsterben in Mexiko, steigende Arbeitslosigkeit, Hungerlöhne und Klagen der Konzerne, wenn staatliche Regeln geändert werden.“

Mit ihrer Forderung „Raus aus der EU“ sind die Initiatoren des Volksbegehrens jedenfalls nicht alleine. Die Briten dürfen spätestens Ende 2017 über den EU-Austritt abstimmen. Und der Inselstaat Island hat erst kürzlich seinen EU-Beitrittsantrag zurückgezogen. „Das Thema ist vorbei“, bestätigte der isländische Außenminister. Bei uns wohl noch lange nicht. bike
(Quelle: Die Ganze Woche)

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